Der Wolf wird nicht müde: Maahns „Sensible Daten”

Vermutlich ist der Wolf einige Jahre unbekannten Fährten nachgegangen, er hat seine Gedanken zu Themen wie Datenschutz und computerisierte Welt nicht in diese hinausposaunt, sondern lange zurückgehalten. Ziemlich lange, denn für sein am 25. September 2015 erschienenes Studioalbum hat sich Maahn fünf Jahre Zeit gelassen.

Cover des Albums "Sensible Daten" von Wolf Maahn | Grafik: Pressebereich wolfmaahn.de
Cover des Albums „Sensible Daten“ von Wolf Maahn | Grafik: Pressebereich wolfmaahn.de

Zunächst mussten zwei Wiederveröffentlichungen angeschoben werden. Anlässlich der 30jährigen Jubiläen von „Irgendwo in Deutschland“ (1985) und „Kleine Helden“ (1986) veröffentlichte Universal Music Anfang dieses Jahres beide Platten als ReMaster Editionen. Insofern ging der Wolf dann doch bekannten Fährten nach, denn eigenes Liedgut wie „Fieber“, „Karussell“ und „Der Clown hat den Blues“ brachte er für den Major höchstpersönlich auf den Klangstandard, der drei Dekaden später einfach erwartet wird.

Sehnsüchtige Daten-Lyrik

Nicht bei Universal, sondern auf dem Label Libero sind jetzt die neuen Songs erschienen. „Sensible Daten“ hat der Sänger, Songwriter, Produzent, Schauspieler und Gitarrist das 13. Studioalbum genannt. Und die meisten Daten gehen auf seine Kappe: Wolf Maahn hat alle Songs geschrieben und produziert, natürlich hat er auch den Leadgesang sowie den Gitarrenpart übernommen. Volker Vaessen unterstützte ihn am Bass, Jürgen Dahmen bediente Instrumente wie das Wurlitzer-Piano, die Hammond-Orgel und den Moog-Synthesizer. Christoph „Zwanie“ Kähler saß an den Drums und kümmerte sich um die Percussions. Die insgesamt 13 Songs wurden an drei verschiedenen Orten eingespielt: im Spinner Ace Studio in Köln von Matthias Krauss, in den Heatwave Studios in Köln und in der Villa Black Sheep in Neuss.

Jahrelang haben die Fans warten müssen, nun werden sie wieder mit sehnsüchtigen und sensiblen Liebesliedern beliefert, für die der Kölner Musiker bekannt ist. Wolf Maahn zählt zu den erfolgreichsten und beständigsten Männern im deutschen Rockpoetentum. Der „Rolling Stone“ sprach bei Liedern wie „Irgendwo in Deutschland“, „Rosen im Asphalt“ oder „Ich wart auf Dich“ sogar von unsinkbaren deutschen Rockklassikern. Daran knüpft Maahn gleich beim Einstieg in das Album an. Sein „Montagssong“ rockt straight und ist zugleich gefällig – der Gedanke an eine wohlüberlegte Kreuzung von Bruce Springsteen mit Purple Schulz drängt sich dabei auf.

Liebeserklärung an die Reise ins Unbekannte

Der Linkshänder, der seine Gitarre auch wie ein Linkshänder spielt, die Saiten jedoch wie bei einer Rechtshänder-Gitarre aufzieht, greift musikalisch auf bekannte Erfolgs-Pattern zurück. Die neuen Songs könnten alle im Radio laufen, ohne zu stören. Textlich schleudert Maahn in seinem LP-Einstieg eine gehörige Ladung gute Laune heraus, die vor Optimismus nur so strotzt. Von wegen „I don’t like Mondays“, zumal der (ein Attentat thematisierende) Song der Boomtown Rats sowieso als Montags-Frust-Lied oft falsch verstanden wurde.

Nach dem Opener bricht der in Berlin geborene Musiker wie in einem Roadmovie ins „Gelobte Land“ auf, seine Tour von Stadt zu Stadt ist eine Liebeserklärung an die Reise ins Unbekannte, die er aber nur mit der besten Bekannten – seiner Liebsten – unternimmt.

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„Schlaflos in Eden“ ist in Poesie aufgegangene Einsamkeit: Maahn berichtet von dem Alleinsein im Hotel mit schickem Swimming Pool, in dem das Einzelschwimmen auch keine Ersatzbefriedigung bieten kann. Sehnsucht und Optimismus sind Gefühlslagen, die Maahn mit einem Soundtrack gut ausstatten kann. Aber er teilt auch kräftig aus und speit bissige Ironie-Salven: „Deine Grundrechte lästig, aber dein Auto gelenkt!“ spottet er über versuchte „Massenmenschhaltung“. Er lästert über Algorithmen und die oft beschworene Schwarmintelligenz – „von Experten ferngelenkt“. Nicht nur der Albumtitel deutete es an – da hat sich jemand mit der Materie der sensiblen Daten eingehend beschäftigt.

Offbeat für den „Konkurrenztanz“ im Hamsterrad

Auch mit den Folgen unseres Daseins, denn in „Homo Sapiens“ ruft er den „Archäologen ferner Generationen“ zu: „Wir kauften die Ressourcen leer, doch die God mode Trader wollten mehr!“.

Vor dem Hintergrund, dass Maahn einst den Wahlkampf von Wolfgang Clement unterstützt hat, fällt seine Sozialkritik recht heftig aus. „Würdelos die Produktion, Schleuderware für Millionen, würdelos die Arbeit und der Lohn, die Gier sprengt jede Dimension“ resümiert er in „Homo Sapiens“ und vermutlich bereut der Musiker im Abstand einiger Jahre sein Engagement für den damaligen Sozialdemokraten, der längst seine Schäfchen ins Trockene gebracht und die – hm – Arbeiterpartei verlassen hat. Es wäre eine durchaus spannende Diskussion, wenn der FDP-nahe „Sozialdemokrat ohne Parteibuch“ Clement mit Maahn über Niedriglöhne fabulieren würde.

In „Konkurrenztanz“ greift Maahn das Rotieren im Hamsterrad für miese Bezahlung auf und spricht über einen Off-Beat von Leuten, die sich müde und komplett verspannt fühlen. Die ein paar Pillen einwerfen würden, für zwei arbeiteten, aber es für die Hälfte machten. Das sei mehr als in der Mongolei, konstatiert Maahn ein wenig ratlos. Der in München aufgewachsene Musiker, der mit elf Jahren die Beatles live erlebte, trägt sechs Jahrzehnte Lebenserfahrung mit sich herum. Und ist wohl deshalb nah dran an den alltäglichen Dingen; er weiß, dass die wahre Liebe das Duckmäuser-Dasein der Angestelltenverhältnisse im Alltag neutralisieren kann. Maahn macht sein Ding wie Udo Lindenberg, aber SEIN Ding.

Grüner Tee statt Whisky à la Motörhead

Rockstargehabe ist seins nicht, wovon er in „TV aus dem Hotelfenster“ erzählt: Die Wichtig-Wichtig-Redakteurin eines Radiodudlers ist entsetzt, als er grünen Tee bestellt und den Gegenpart zu Motörheads Lemmy Kilmister abgibt. Maahn ist in dieser Beziehung wie andere, die seit vielen Jahren in der Manege des Rocks zirkulieren – die Stones, die Scorpions und Westernhagen haben ebenfalls ihre wilden Jahre hinter sich. Zumal Maahn mit seiner gut eingespielten Begleitband eine Mammut-Tour absolvieren will. Am 24. September – am Vorabend der Veröffentlichung von „Sensible Daten“ – startete er seinen Konzertmarathon, an die 40 Auftrittskilometer sind bis zum Frühjahr 2016 abzulaufen. Zudem wird der Westdeutsche Rundfunk eine ROCKPALAST-Sendung aufzeichnen über den wohl bekanntesten Wolf, der unentwegt und entschlossen durch sein Revier (nicht nur) in Köln streift. Und der des Plattenaufnehmens nicht müde wird …

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Gerd Böttcher

Gerd Böttcher

Ich bin der Gründer von METAMA, der Firma, die auch für diesen Blog BANDS.koeln verantwortlich ist. Wie der Name schon sagt, wollen wir darin über Bands aus der Region Köln schreiben. Ich sehe mich in unserem Redaktions-Team als „Romantiker“, der ganz sachliche Schreibstil ist eher nicht mein Ding. Songs müssen in mir Bilder entstehen lassen; ansonsten fehlt mir irgendwie eine emotionale Bindung dazu. Wie sagt der Kölner so lapidar: „Jet jeck simmer all.“

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